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Monsanto vs. Bowman oder der Wert der Innovation

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Monsanto hat sich ja gerade wieder unbeliebt gemacht, weil es den armen Bauern Vernon Bowman verklagt und gewonnen hat. Die Tagesschau sprach von „David gegen Goliath“, ein Vergleich, den auch andere aufgegriffen haben. Auch wenn „David“ verlor.

Uns ist klar, dass wir uns wohl mit einem Blog zum Thema auch unbeliebt machen, denn so trivial, wie viele es gerne sehen würden, dass Monsanto der Antichrist ist, der einen armen, alten, unschuldigen Bauern fertiggemacht hat, ist es nicht. Im Endeffekt geht es nicht einmal um Monsanto, sondern um Gesetze und Patente. Es ist ein Grundsatzurteil, das den Wert von Patenten untermauert.

Aber beginnen wir mit dem Fall und seiner Geschichte.

Monsanto vs. Bowman

Seit 1999 hat der Landwirt Bowman jedes Jahr Roundup Ready® Sojabohnen für seine Erstaussaat(*) erworben. Im Rahmen des Kaufes unterzeichnete er eine Vereinbarung, dass er die Samen nur für eine Pflanzung verwendet und die Ernte nicht wieder aussäen wird. Herr Bowman ist nicht dumm, ihm ist klar, dass das recht teuer ist. Also fragt er bereits 1999 bei Monsanto nach, ob es gegen eine Gebühr möglich sei, die Ernte doch zur Aussaat weiterzuverwenden.

Monsanto lehnt in einem Schreiben, in dem es die Patentbestimmungen erneut erläutert, ab.

Vernon Bowman hat daraufhin eine Idee, wie er die Patentbestimmungen umgehen kann. Er kauft für die erste Aussaat ganz normal bei einem lizenzierten Händler ein. Für die zweite Aussaat(*) kauft er dagegen für die Fütterung (oder ähnliches) bestimmtes Soja. Dieses ist nicht für die Aussaat gedacht, da der Bauer ja nicht weiß, welche Sorten sich in dem gekauften Gemisch befinden (in der Praxis 95% Roundup Ready®).

Er sät diese Bohnen aus und besprüht die Pflanzen zwei bis drei mal mit Glyphosat. Die Roundup-Ready-Bohnen überleben, der Rest stirbt ab. Herr Bowman züchtet sich also quasi RR-Soja selbst. Einen Teil der Ernte aus diesen Bohnen bewahrt er für die Aussaat im nächsten Jahr auf, den Rest verkauft er.

Im Wesentlichen wiederholt er diese Prozedur jedes Jahr, bis er 2007 schließlich von Monsanto verklagt wird. Er habe gegen die Lizenzbestimmungen verstoßen. Ein U.S. District Court in Indiana spricht Monsanto $84.456,20 an Schadenersatz zu. Die nächste Instanz bestätigt 2011 das Urteil und jetzt auch der Supreme Court.

Herr Bowman hat versucht das Gesetz zu beugen, um einen höheren Profit zu erzielen. Die Idee hinter Patenten ist es, dass es anderen verboten ist, eine Erfindung selbst herzustellen.

Instruktiv sind die Bemerkungen der Richter zum Urteil:

Chief Justice Roberts:
„Why in the world would anybody spend any money to try to improve the seed if as soon as they sold the first one anybody could grow more and have as many of those seeds as they want?“

Justice Kagan:
“… a patent would plummet in value after the first sale of the first item containing the invention.”

Dass es beim Urteil grundsätzlich um das Patentrecht und seine Schutzwirkung ging, sieht man auch an der breiten Unterstützung, die Monsanto in den USA aus diversen Bereichen der Industrie erhielt: viele Universitäten, viele Firmen, Organisationen und auch die Regierung haben sich hinter die Klage von Monsanto gestellt. Nicht hinter Farmer Bowman.

Man meldet seine Erfindung beim Patentamt und wenn es etwas innovativ Neues ist, hat man die Verwertungsrechte für die Erfindung. Man mag nun einwenden, wie es auch Bauer Bowman getan hat, dass Sojabohnen sich ja ohnehin selbst replizieren und kein menschlicher Eingriff nötig ist. Aber auch dieser Einwand wurde von den Richtern weggewischt:

Justice Kagan:
“Bowman was not a passive observer of his soybeans’ multiplication,” she wrote, adding: “Put another way, the seeds he purchased (miraculous though they might be in other respects) did not spontaneously create eight successive soybean crops.”

Er hat durch den Anbau und die regelmäßige Anwendung von Glyphosat wissentlich und in voller Absicht selbst Roundup-Ready-Sojabohnen für den Anbau geschaffen und damit gegen das Patent verstoßen.

„Ich hätte mir nie vorstellen können, dass die sich um meine zweite Aussaat scheren“, sagt Bowman und beteuert, er habe das Saatgut im Frühjahr stets für den vollen Preis bei Monsanto geordert.

Patente und ihr Wert

Man mag nun der Meinung sein, dass im Patentwesen selbst das Problem steckt und wenn man z.B. in Klagewellen wegen runder Ecken und ähnlichem die Smartphone Hersteller aufeinander losgehen, wenn man sieht, wie Patenttrolle mit absurden Patenten im Softwarebereich Millionen verdienen, dann fühlt man sich wohl in dieser Meinung bestärkt.

Nur muss man unserer Meinung nach achtsam unterscheiden zwischen Trivialpatenten, z.B. auf Smileys und einem Patent auf ein Produkt, das in jahrelanger Forschung entwickelt wurde. Die Grenze zu ziehen ist sicher in vielen Fällen schwierig, aber gerade in diesem Fall doch recht klar.

Interessant ist es zu bemerken, obwohl es im Elektronik/Consumer-Bereich um Beträge und Giganten geht, neben denen sich Monsanto wie ein „Kleinbetrieb“ ausmacht (Umsatz in Mrd. Dollar: Monsanto 12, Apple 156, Samsung 143), interessieren diese Streitereien eigentlich wenig.

Der Grund ist vermutlich, dass es im Grunde um einen „unwichtigen“ Streit ums Geld geht, bei Patenten im Bereich Nahrungsmittelerzeugung und Medizin auch ethische Bedenken hineinspielen. Patente in diesem Bereich verteuern Nahrungsmittel, verteuern Medikamente. Das führt zu einem schwerwiegenden Dilemma.

Man wünscht sich in dem Bereich, dass alle Innovation frei ist und die Menschheit weiterbringt. Man wünscht sich aber natürlich auch, dass möglichst viel Geld investiert wird, möglichst viel Innovation stattfindet. Und man stellt fest, dass es schwer ist, diese Dinge unter einen Hut zu bringen.

Innovation und Forschung muss etwas Wert sein, sonst wird niemand Geld in die Forschung investieren. Und Forscher müssen sicher sein, dass sie und ihre Erfindung durch ein Patent auch geschützt werden. Wäre ein Patent „nichts wert“, könnten Typen wie Andrea Rossi zu Recht behaupten, ihre Erfindung „geheim“ halten zu müssen. Ehrliche Erfinder müssten das sogar. Was zu noch stärkerer Geheimhaltung von Innovation führen würde, als wir sie schon haben.

Und alle Geheimhaltung, zu der sie gezwungen wären, würde in dem Augenblick nutzlos werden, in dem sie das Produkt auf den Markt bringen. Sofort würde das Produkt kopiert werden. Man braucht also den Schutz der Rechte des Erfinders.

Man versucht natürlich, Wege aus diesem Dilemma zu finden, aber wie man sich vorstellen kann, ist es nicht so leicht.

Viele „lieben“ Monsanto nicht und halten es für grundsätzlich bedenklich, dass solche Bio-Patente existieren. Aber die Abschaffung von Patenten ist auch nicht zielführend. Wir müssen Unternehmen die Möglichkeit geben, aus ihrer Innovation Nutzen zu ziehen.

Fazit

Um diesen gordischen Knoten zu zerschlagen, wurde bisher kein Rezept gefunden; die Vorteile der Patente überwiegen. Alles was wir tun können, ist Open Data und Open Science zu fördern.

Jede Technologie, die im Besitz der öffentlichen Hand ist, frei verfügbar ist, ist ein Gewinn für uns alle. Eine interessante Idee ist in diesem Sinne auch der sogenannte Health Impact Fund. Wenn wir Monsanto ablehnen, sollten wir im Bereich Gentechnik mehr forschen und selbst entsprechende Produkte auf den Markt bringen.

Bitter muss man allerdings bemerken: Forschung, speziell im Bereich der Grünen Gentechnik, interessiert in Deutschland nicht. Stattdessen überlassen wir den Konzernen lieber das Feld, stecken den Kopf in den Sand und vernichten Lehrprojekte wie HannoverGEN und zerstören lieber Versuchsfelder.

Wir können uns übrigens in diesem Sinne einen kleinen Seitenhieb gegen Greenpeace und Konsorten nicht verkneifen – zitiert aus dem Tagesschau-Artikel:

„Keine Frage“, gesteht Bowman, „die gentechnisch veränderten Sojabohnen haben die Arbeit viel leichter und besser gemacht.“

*
Erste und zweite Aussaat: In Teilen der USA ist es möglich, in einem Jahr zweimal auszusäen. Man sät dazu auf einem Feld Weizen an und erntet, danach erst sät man Sojabohnen an. Die Zeit reicht gerade für eine zweite Ernte. Diese ist zwar weniger ertragreich als die Erstaussaat an Sojabohnen, die die ganze Saison reifen kann, der kombinierte Wert von Sojabohnen und Weizenernte bringt allerdings insgesamt Gewinn. Da der Aufwand relativ hoch und das Zeitfenster sehr kurz ist, schafft der Landwirt mit dieser Methode nur eine begrenzte Fläche.


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